Die Geschichte des Schenkens

INFO: Das Verb 'schenken' geht auf das althochdeutsche 'skenken' zurück und bedeutet ursprünglich „jemandem ein Getränk eingießen“ oder „ein Gefäß schief halten“. Erst im 15. Jahrhundert erweiterte sich die Bedeutung zu „jemandem etwas darreichen“.
Die Blütejahre der Wirtschaftswunderzeit machten es möglich, Geld zu sparen und für käuflich zu erwerbende Geschenke auszugeben. Damit begann in den 1950er Jahren jene Entwicklung, die heute häufig in „Geschenkeorgien“ gipfelt. Der materielle Wert der Geschenke gewann zunehmend an Bedeutung – ein Faktor, der vor 1950 fast ausschließlich für die Großen und Mächtigen Bedeutung hatte.

Schenken bis zum Ruin

Das Potlatch der Kwakwaka'wakw-Indianer Nordamerikas ist ein Festritual, bei dem große Häuptlinge Geschenke austauschen und stellt somit andere Form der Demonstration von Macht und Reichtum durch die Übergabe von Geschenken dar. Ursprünglich diente das Potlatch der Festigung der Position der Häuptlinge, die zu diesem Zweck Geschenke austauschten – je hochwertiger das Geschenk, desto höher die Stellung des Beschenkten in seiner Ahnenfolge. Diese Feste waren ausgesprochen selten und kennzeichneten besondere Anlässe, etwa die Geburt des männlichen Erben oder den Tod eines wichtigen Stammesmitglieds. Um die soziale Position zu stärken, verbrannten die Teilnehmer die dargebrachten Geschenke manchmal sogar.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts und unter Einfluss weißer Siedler pervertierte das Ritual jedoch zu einem skurrilen Schauspiel: Die von Europa eingeschleppten Krankheiten erhöhten die Sterberate unter den Einheimischen, wichtige Stammespositionen waren damit häufig unbesetzt und die teilweise sehr jungen und unerfahrenen Häuptlinge traten vermehrt zum Potlatch zusammen. Neue Konsumgüter ermöglichten teure Geschenke und das einst spirituelle Ritual mutierte zu einem unwürdigen Geschenkewettkampf. Nicht wenige Häuptlinge ruinierten sich und ihren gesamten Stamm. Die kanadische Regierung verbot das Polatch daher Ende des 19. Jahrhunderts. Bis heute ist das Ritual nur unter besonderen Auflagen wieder zugelassen.

Ganz ähnlich hielten es die Fürsten im Mittelalter gegenüber dem fränkischen König. Im 8. Jahrhundert kam die Idee auf, dass auch der Adel Steuern zahlen könnte – dieser war natürlich empört von der Aussicht, wie gewöhnliche Unfreie Abgaben leisten zu müssen und man einigte sich auf einen Kompromiss: Eine freiwillige Abgabe, deren Häufigkeit und Höhe der Gebende bestimmt. Bald galten diese Spenden als obligatorisch, doch immer noch war keine Summe festgesetzt. Mit der Zeit begannen die Fürsten, sich gegenseitig in ihren jährlichen Abgaben zu übertrumpfen. Sie festigten damit ihren Machtanspruch und demonstrierten, dass sie trotz hoher „Steuern“ noch gut leben und herrschen konnten. Dieses Vorgehen ist also durchaus mit den späten Potlatchs zu vergleichen. Allerdings kamen die Fürsten nicht selbst für ihre erhöhten Ausgaben aus, sondern holten sich die Differenzen beim Volk zurück – durch radikale Erhöhung des Zehnt oder gar Raubzüge.

Panem et circenses – Brot und Spiele

INFO: Bei der Landshuter Hochzeit 1475 wurden 323 Ochsen, 285 Brühschweine, 1133 ungarische Schafe, 1537 Lämmer, 490 Kälber, 11 500 Gänse, 40 000 Hühner und 194 345 Eier verzehrt. 146 Köche wurden aus der herzoglichen Schatulle entlohnt.
„Brot und Spiele“ ist bis heute ein gültiges und funktionierendes Machtinstrument: Scheinbar großzügige Wahlgeschenke oder aufwendige Inszenierungen lenken von politischen oder wirtschaftlichen Problemen ab und vermitteln dem Volk ein wohliges Gefühl der Zufriedenheit.

Bei hohen Feierlichkeiten zeigen sich Herrscher großzügig und beschenken das Volk – Krönungen sind noch heute häufig Anlass für einen einmaligen, zusätzlichen Urlaubstag. Auch royale Hochzeiten können der Grund für großzügige Gesten gegenüber dem Volk sein. So erließ Kaiser Franz Joseph von Österreich anlässlich seiner Hochzeit mit Prinzessin Elisabeth „Sissi“ von Wittelsbach eine Amnestie gegen alle Beteiligten des Aufstandes von 1848. Bei der legendären Landshuter Fürstenhochzeit von 1475 aß und trank sogar die gesamte Stadtbevölkerung eine Woche lang auf Kosten Herzog Georgs des Reichen.

Geschenke mit Hintergedanken

Die Römer hatten Brot und Spiele – die Griechen hielten Festbankette ab. Es war üblich, dass Herrschende in den griechischen Städten jährlich ein großes Festmahl gaben, zu dem alle vollwertigen Bewohner – also freie Männer – geladen waren. Erlesene Speisen und edlen Wein gab es in rauen Mengen und häufig durften die Gäste ihren goldenen Becher mit nach Hause nehmen. Der Gastgeber erwartete im Gegensatz dazu uneingeschränkte Bündnistreue und Unterstützung im Kriegsfall.

Diese Form der „Zweckgeschenke“ hat sich bis heute erhalten: großzügiges Weihnachtsgeld und hohe Gewinnbeteiligungen steigern das Prestige von Unternehmen und festigen die Bindung der Arbeitnehmer an die Firma.

Wir sehen: Das Schenken der Großen und Mächtigen hat(te) nicht viel von liebevollen Gesten und kleinen Aufmerksamkeiten. Es galt (und gilt) die Devise: Klotzen statt kleckern!

Nützliche Geschenke zu großen Festtagen

Das regelmäßige Schenken großzügiger Gaben war lange den Mächtigen vorbehalten, soviel wissen wir jetzt. Große Präsente zu Geburtstag oder Weihnachten gab es bei Normalbürgern nicht. Doch zu besonderen Anlässen konnte sich auch das gewöhnliche Volk den Luxus der Großzügigkeit leisten. Ein typisches Taufgeschenk für das Neugeborene war ein Löffel aus Metall – ein Symbol, das den Wunsch ausdrückt, der Täufling möge niemals Hunger leiden.

Ein neues Paar Schuhe zur Erstkommunion war schon ein großer Luxus – selbst, wenn die neuen Stücke einige Nummern zu groß waren. So hielten sie längere Jahre und dienten nachgeborenen Geschwistern ebenfalls als Geschenk zur Kommunion.

Mitgift und Morgengabe

INFO: Die Morgengabe hatte früher den Zweck, die Frau abzusichern. Daher war es häufig ein größerer Geldbetrag, aber auch die Diensttreue einer Magd oder eines Knechts war eine übliche Gabe. Heute schenken sich Brautpaare am Morgen nach der Hochzeit gerne gegenseitig etwas Romantisches.
Die Tradition der Mitgift stellte für viele Familien ein Problem dar. Vor allem Eltern, die viele Töchter hatten, konnten damit in finanzielle Nöte geraten, denn die Mitgift war häufig der ausschlaggebende Grund für einen Bräutigam, seine Zukünftige überhaupt zu wählen. Noch heute ist es in Indien Tradition, dass die prächtige Brautausstattung und das teure Hochzeitsfest die Brauteltern bezahlen – oft eine kaum zu stemmende Belastung für die Familien.

Eng verbunden mit der Mitgift war die so genannte Morgengabe. Diese Aufmerksamkeit erbrachte der frisch gebackene Ehemann seiner Angetrauten am Morgen nach der Hochzeit. Damit entschädigte er sie für die verlorene Jungfräulichkeit, die sie ihm in der Nacht zuvor geschenkt hatte.

Großzügigkeit ist uns ein Bedürfnis

Abgesehen von diesen außergewöhnlichen Gelegenheiten waren gekaufte Güter als Geschenke die Ausnahme. Üblicher waren selbstgebastelte oder hausgemachte Präsente wie Eingewecktes oder Handarbeiten. Wichtig war außerdem, dass die Geschenke einen Nutzen hatten und dem Beschenkten im Leben halfen.

Doch wie wenige finanzielle Mittel die Menschen auch zur Verfügung hatten oder haben: Sie schenkten schon immer gerne! Ob es nun Nüsse zum Nikolaus für die Kinder waren oder eine kleine Schleife beim Jahrmarktströdler, um das Herz der Angebeteten zu gewinnen – kleine Gesten der Aufmerksamkeit und Wertschätzung, die von Herzen kommen, waren und sind uns ein Bedürfnis.
Jordan Grafman, Hirnforscher an der Universität Chicago, stellte bei einem Versuch seinen Probanden 128 Dollar zur Verfügung, dann erschienen auf einem Bildschirm die Symbole von Hilfsorganisationen und auch anderen Probanden. Mit einem Klick konnten die Teilnehmer der Studie ihr Geld spenden. Dabei waren sie stets an einen Hirnscan angeschlossen. Erhielten die Probanden Geld, schaltete sich das Belohnungssystem im Gehirn ein – sie freuten sich über die Geschenke. Ein wenig überraschendes Ergebnis.

Sex, Drugs and giving presents

INFO: Ein dauerhafter Mangel an Dopamin kann zu Depressionen führen. Ein stetiger Überschuss des Glückshormons bildet eine der Ursachen für Schizophrenie.
Interessanter sind die Daten der Messungen, die sich während eines Schenkvorgangs zeigten. Auch in diesem Fall aktiviert sich das Belohnungssystem, allerdings viel intensiver als beim Erhalt von Geschenken. Durch Großzügigkeit setzt der Körper mit dem Hormon Dopamin den gleichen Stoff frei wie bei Sex oder dem Konsum von Drogen. Unser Gehirn merkt sich diesen positiven Effekt, will ihn wieder erleben und wartet auf die nächste Gelegenheit zur Großzügigkeit. Kurz: Schenken macht süchtig!

Evolutionsbiologen haben eine logische Erklärung dafür. Viele Tierarten nutzen kleine Geschenke zur Brautwerbung und in der Regel setzt sich der großzügigere Bewerber durch. Das könnte auch bei unseren tierischen Vorfahren so gewesen sein: Einige männliche Exemplare waren zur Großzügigkeit veranlagt und setzten sich gegen ihre sparsameren Konkurrenten durch. Sie erlangten das Recht auf Paarung mit der Umworbenen und konnten so ihre großzügige Veranlagung weitergeben. Über die Jahrmillionen verbreitete sich diese Eigenschaft und Großzügigkeit setzte sich als genetischer Code in der menschlichen DNA fest. Kurz gesagt: Schenken liegt uns in den Genen! Das ist doch ein wunderbares Erbe, das wir leidenschaftlich und mit Hingabe pflegen sollten.
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